Freitag, 26. Februar 2021

Die ersten Monate von Benjamin Keck

Jeden Tag eine gute Tat

Das Buch "Die ersten Monate" hat mich mehrfach überrascht. Eigentlich habe ich mit Blick auf das Cover erwartet, dass in diesem Buch nur Gejammer zu finden ist, wie schrecklich so eine Krise mit einem Krankheitserreger namens Dolores-19 in der Nebenrolle wäre. In diesem Buch wird die Wirkung des Virus gegenüber Covid-19 verstärkt und es wird über die überwiegend gewaltvolle Krisenbewältigung der Zivilisation berichtet.

Die ganze Menschheit ist auf einmal vollbeschäftigt. Die größte Umverteilung von Klopapierrollen ist im Gang. Es gibt die Reichen mit Vorrat und die Armen, die plündernd durch die Straßen ziehen.

Unsere Helden des Romans sind keine Kinder der Traurigkeit. Es ist schon beeindruckend, wie spontan ihnen irrsinnige Ideen kommen, die sie dann auch sofort gemeinsam umsetzen. Sie mögen noch so absurd, unpassend und hemmungslos sein, sie haben einfach einen unbekümmerten Umgang mit der Krise. Es gibt natürlich Verluste. Ihr Motto: trotz allem immer das Beste für die kleine Gemeinschaft zu erreichen. Sicherlich gibt es brenzlige Situationen, diese schweißen jedoch eng zusammen. Man kommt sich näher, macht sich vor dem anderen nackig, ist dummerweise manchmal nicht unbeobachtet, aber es gibt immer wieder Wege, um sich über alles und nichts hinwegzutrösten. Nichts ist planbar, daher macht es auch nichts, wenn eine Frau einen Plan liest. So reist die bis zu den Haarspitzen bewaffnete Truppe trotz Ausgangsbeschränkung mit sieben Schlafsäcken und Ravioli gut gerüstet durch Europa.

Dabei haben sie sich vorgenommen in jeder Stadt etwas Gutes zu bewirken. Mal ist es eine gut Flasche Wein zu öffnen, mal ist es - ach unwichtig.

Neben diesem Haupterzählstrang erleben wir auch die ersten Monate der noch jungen Dolores-19. Jedes Kapitel informiert den Leser mit Fakten: Dolores ist Scheiße. Zudem gibt es Sprüche von Jake, die seine Wahrnehmung und seine Erkenntnisse verdeutlichen.

Die ersten Kapitel finde ich eher langweilig, weil ich das selbst so am Rande im Alltag als Alu-Laufmützenträger und Querläufer ebenfalls erlebt habe. Kacke ist ja schnell gebaut. Aber wie bekommt sie wieder weg. Es wäre schön, wenn die Buchseiten auf Klopapier gedruckt gewesen wären, aber ich habe natürlich nur eine digitale Ausgabe, die zwar auch wischen auf dem Touchpad ermöglicht, aber nicht dort wo es drauf ankommt. Trotzdem diese Kapitel sind natürlich wichtig, denn wenn 2065 dieses Buch gelesen sind, dann weiß natürlich keiner mehr mit welchen Problemen wir uns beschäftigt haben.

Die Truppe bezeichnet sich selbst als irre, wahnsinnig und bescheuert, aber im Grunde und das ist mein Takeaway macht sie vieles auch richtig. Was nicht tötet, härtet ab. Auch, wenn die Lage sich zuspitzt, lässt dies nur einen sinnvollen Kommentar zu: Oioioi. Rückwärts gelesen IOIOIO, was so ähnlich aussieht wie der hexadezimal Code für "Grau". Ja, das Buch ist eindeutig im Grauzonen-Buchgenre einzuordnen. Optimisten hingegen lesen IO, was soviel wie "In Ordnung", also ein positives Ergebnis einer Qualitätsprüfung bedeutet. Das entspricht genau meiner Bewertung. Das Buch ist skurril und satirisch, aber selbst, wenn der Inhalt nicht gefallen sollte, dann ist trotzdem ganz viel Musik enthalten. Zum Schluss gibt es eine umfangreiche Songplayliste zu allen zitierten Songs in den Kapiteln. Also, genießt wie auch immer, reist aus, verbringt gute Taten und lest - zumindest die ersten Monate.

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