Montag, 8. Februar 2021

Wo ist hier? von Linda Eicher

Gejagt in einer fremden Realität


Die Autorin Linda Eicher setzt in ihrer komplexen Kurzgeschichte mit dem Namen "Wo ist hier?" Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung in Szene. Sie werden zum Spielball eines Konzerns "Weig&Moster", der vorgibt, die Menschen heilen zu wollen, bzw. die Auswirkung der Beeinträchtigung lindern zu wollen. So kommt es, dass Eltern sich in der Hoffnung, es würde dem Kind helfen, für eine Behandlung entscheiden. Die Behandlung erfolgt in diesem Fall durch den Einsatz eines neuronalen Chips.

Nun, der Spielball - die Erzählerin und Hauptfigur der Geschichte - hat jedoch einen eigenen Kopf. Es wäre ja als Frau auch noch schöner, wenn nicht. Sie durchschaut die Motive der Mitarbeiter des Konzerns schnell und trifft instinktiv die richtigen Entscheidungen. So entsteht ein spannender Ablauf von Jäger und Gejagten. Die Konzernvertreter vermögen zwar übermächtig die Regeln zu diktieren, doch die Programmierer bedenken nicht alle Winkelzüge, die sich ein Team von "Gejagten" überlegen kann.

Für mich kommen die Gegenspieler etwas dümmlich herüber. Ihre Motive und Ethik sind mehr als fragwürdig, aber dies entspricht wohl der Erfahrung der Autorin, die beruflich Mobbing von "andersartigen" Mitschülern im Berufsalltag in ihrer Rolle "Schulbegleitung" erlebt.

Dadurch, dass die in "Intermezzos" Wahrnehmungen und Vorgeschichten aus unterschiedlichen Perspektiven anderer Beteiligter erzählt wird, ergeben sich für den Leser inhaltliche Wiederholungen. Hier täte eine Kürzung des Textes gut.

Die Behauptung, dass Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung weniger Ausdauer durch Sport entwickeln können, kann ich nicht nachvollziehen. Von Nichts kommt natürlich nichts. Körperliche Fitness kann stets gesteigert werden. Natürlich müssen wir kein Marathon laufen können, aber zumindest sollten wir so schnell sein, um den Schattensoldaten kein leichtes Zugreifen zu ermöglichen.

Die Geschichte bringt viel auf den insgesamt 140 ebook Seiten unter. Im Grunde ist es fast ein ganzes Leben von der ersten Liebe, dem ersten Kuss, den Auswirkungen der Krankheit und der Sorge der Eltern, die Einmischung des Konzern, der Karriere bis zum Ende des Lebens der Erzählerin. Das zuletzt Genannte klingt jetzt schlimmer als es beabsichtigt ist. Das Ende eines Lebens ist nicht entscheidend, vielmehr wie wir die gegebene Zeit nutzen.

Wir lernen in diesem Buch, uns nicht unterkriegen zu lassen, Chancen und Risiken technologischer Entwicklung kritisch zu beleuchten und möglichst Auswege aus aussichtslosen und verhängnisvollen Situationen zu erkennen, denn Gegenspieler machen gerade in solchen Situationen entscheidende Fehler, die sich ausnutzen lassen. Jeder kann damit ein System ändern und zum Positiven ändern.

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