Samstag, 30. September 2017

Was ältere Läufer anders machen

Der arme Kerl kann ja nichts dafür, dass er den Berlin Marathon 2017 nicht geschafft hat. Und es kann jedem passieren. Ihr wisst schon, wen ich meine. Schmunzeln muss ich jedoch immer, wenn ich die mit ihm verbundene Werbung sehe.

"Auf ultraSPORTS ist immer Verlass.", meinte er in einer Anzeige zum Buch "Was erfolgreiche Sportler anders machen".

Oder auch die Tipps im Vorfeld, wie man einen Marathon besteht, wirken nun doch ein wenig hinfällig.

"Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen."
K. Tucholsky

Immerhin war es ein medienwirksames Auftreten und was will ein Athlet mehr, der von Öffentlichkeit lebt. Der Zusammenbruch zeigt, dass ein Marathon eben doch immer wieder eine harte Nuss ist. Und wir reden hier von Geschwindigkeiten, wo ich nach 5 Kilometern platt wäre, also nicht die Wanderer auf der Strecke für die der Marathon ganz leicht erscheint.

Der deutsche Star war nicht der Einzige, der es nicht geschafft hat. An dem Tag hat offenbar der saure Berliner Regen manche Läufer schwach und andere, mit denen man überhaupt nicht gerechnet hat, stark gemacht.

Unter Profis ist es ganz normal, das Rennen abzubrechen, wenn es nicht läuft. Manche alten Hasen erkennen rechtzeitig, wenn heute nicht ihr Tag ist. Junge Läufer übernehmen sich oft. Sie kämpfen in einer hoffnungslosen Schlacht bis der Körper selbstständig kapituliert.

Ich selbst wollte auch im Herbst an einigen Wettkämpfen teilnehmen. Ich fühle mich sehr gut vorbereitet. Ich bin voll da mit Ausnahme des linken Fußes, der immer wieder Probleme macht. Daher nehme ich keine Herausforderungen an aktuell. Ich versuche das Level zu halten, aber fordere meine Sehnen nicht heraus in einer adrenalingetränkten Wettkampfsituation, wo Schmerzen einfach untergehen und vom Kopf überspielt werden können.

“If we want to act more effectively in the world, we have to get to know ourselves better”
Gary Wolf.

Ich denke, das unterscheidet einen Läufer im besten Alter gegenüber einen erfahrenen alten Läufer, der die eigene Gesundheit über einen möglichen Sieg stellt.

Auch beim Berlin Marathon siegte das Alter bei einem ganz anderen Kampf. Sechs Jahre lagen zwischen Guye Adola und Eliud Kipchoge. Im letzten Drittel des Rennens sah ich die Unsicherheit von Adola, der nicht der blauen Linie folgte und sich ständig nach hinten umdrehte.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass selbst kleinste Verdrehungen ab 30 Kilometer viel Anstrengung kosten. Ich musste mehrmals anderen Läufern ausweichen und mein Konto für ruckartige Bewegungen war bereits geräumt. Die nächste Situation hätte ein vorzeitiges Ende bedeuten können. Aber das Feld lichtete sich zum Glück nach dem ich mich durch drei Startwellen gekämpft habe.

Nun kann ich sagen, ich habe es geschafft. Aber ob ich es noch einmal schaffen würde? Im Regen? Ja, aber mit welcher Zeit? Ich weiß es nicht. Jedes Rennen ist individuell und erneut spannend. Zum Glück kann nichts die Erfolge in der Vergangenheit nehmen. Was wir haben, haben wir.

Eine Menschenschar steht um einen gestürzten und am Boden liegenden Marathonläufer herum. Einer aus der Menge fragt in die Runde: "Kann hier irgendeiner Erste Hilfe?"
Der Marathonläufer hebt einen Finger und antwortet: "Ich!".
Siehe auch:
wlz-online.de - 215. Marathon - mit 74 Jahren

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