Donnerstag, 7. Oktober 2021

Das Kalanos-Projekt von Frank W. Haubold

"Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los"

Johann Wolfgang von Goethe


Das ewige Leben, unendliche Möglichkeiten und Weiten, dorthin, wo nie ein Mensch zuvor gewesen ist - Segen oder Fluch?

In dem Buch geht es um den kompletten Neuanfang von Fabian Helldorf im sogenannten "Free Island Project". Mit der Einreise auf diese Insel verliert ein Bürger sämtliche soziale Hilfs-, Rechts- und Versorgungsansprüche. Was Fabian jedoch noch wichtiger ist, er verliert mit dem radikalen Schritt trotz aller Ungewissheit seine Angst. Seine Angst hat ihn gefangen gehalten. Ohne Isolation von anderen ist in der bisherigen Welt kein Leben in Sicherheit möglich. Doch auch das verheissende Land, wo alles anderes sein soll, gilt bei hiesigen Behörden als gefährliches Ausland. Doch schlimmer wird's nimmer, glaubt er. Kalanos heißt die Insel, die nun ein europäischer autarker Kleinstaat ist.

Im Vorfeld seines Aufbruchs machten sich bei Fabian weitere Bedenken breit. Lässt die Union seine Ausreise zu?

Aber da gibt es noch einen weiteren Erzählstrang: Lena und ihr verschwundener Georgius. Ja, die Jugend heutzutage. An dieser Stelle, weiß man wie das in Verbindung mit dem vorherigen Erzählstrang steht. Manche Probleme von Männern erledigen sich selbst. Jeder hat hier scheinbar Angst, vorm eigenen Leben, vorm Staat oder vor anderen Staaten. Außergewöhnliche Angst, scheint zu außergewöhnlichen Maßnahmen zu treiben. und ja, die können auch positiv anmuten. Doch das eine bedingt oft das andere. Den natürlichen Lauf der Natur zu stören, geht in der Regel nach hinten los. Zum Glück ist nichts real, oder etwa doch?

Nach dem Kapitel Aufklärung Stelle ich mir folgende Fragen:

Wieviel Körper braucht ein Mensch? Wäre ein Leben in einer Simulation erstrebenswert? Ist das Altern der Menschen und das ständige Erneuern nicht ein Erfolgskonzept für das geistige Überleben einer Spezies? Ist jeder menschlicher Geist es wert, ewig erhalten zu bleiben? Verändert sich der Mensch unter den anderen Rahmenbedingungen hinzu: alles egal, ich leb ewig? Sind virtualisierte Menschen gegenüber künstlich erzeugten Existenzen im Nachteil, da diese keine Vergangenheit bewältigen müssen und ihnen der Vergleich zu einer anderen Lebensweise fehlt?

Was ich bewundere an dem Buch ist, dass jedes Kapitel eine neue Überraschung bereithält. Wir können die zeitliche Entwicklung des Projekts bzw. Experiments verfolgen.

Was geschieht mit krankhaften oder fehlgeleiteten Bewusstsein? Oder Saboteuren? Schwer werden diese für die Wissenschaft zu erkennen sein.

So schmerzhaft der Tod ist, so sichert dieser die Fortentwicklung und Widerstandsfähigkeit der Menschheit - geistig und gesellschaftlich. Schildkröten und Bäume sind langlebiger. Aber es schützt nicht vor Verdrängung. Die Anpassungsfähigkeit sinkt mit steigender Lebenserwartung.

Wichtig für eine Gesellschaft ist eine gute Mischung verschiedene Generationen die miteinander sich befruchten können. Die Gegensätzlichkeit, die nicht zuletzt durch das Alter bedingt wird, bringt eine Gesellschaft vorwärts. Zu engstirnig gedacht? Altern altern bedeutet nicht nur Gebrechen, sondern auch Erfahrung Vergangenheit, Weitergabe von bewährten Wissen und Praktiken. Doch der springende Punkt ist, dass sich Vorlieben, Sichtweisen, Ansichten, Vorlieben und Gewohnheiten mit dem Alter ändern. Mir mutet Kalanos wie ein sozialistisches System oder Ameisenstaat an, nur mit libertären Prinzipien und korrigierenden Eingriffen im Bewusstsein.

Gemeint war das Projekt als Arche, ein Leben ohne Körper in einer Art Matrix - sicher und frei.

Doch puristisch demokratisch geht es dann doch nicht zu, denn Demokratie ohne Hierachie funktioniere nicht. Wenn jeder an sich selbst denkt, ist sicherlich nicht allen geholfen und an alle gedacht.

Etwas oder jemand muss die Geister zusammenhalten.

Überraschende Erkenntnis: Trotz Freiheiten und ewigem Leben kann man den Lebensmut verlieren. Immer weiter so, ist daher schlecht. Das Geisterschiff entwickelt sich immer fort und ähnelt von Außen betrachtet einem lebenden Organismus.

Der Autor zeichnet hier ein alternatives Leben für die Menschheit. Der Leser beurteilt, ob dies überhaubt ein Leben ist. Sein oder nicht sein?

Was ich mit Sicherheit weiß, es ist eine lebendig und geistreich erzählte Geschichte.

Keine Kommentare: