Ahoi, heute geht es um das Piratengesindel. Nein, ihr seid nicht gemeint und auch nicht die Piraten-Partei in Deutschland. Das Buch heißt so: "Piratengesindel" von Florian Clever. Dies ist Teil 1 der dreimastigen Buchreihe.
Der Untertitel klingt für mich verheißungsvoll: Aufbruch. Passt das? Im Wesentlichen geht es in diesem Band um ein freiwilliges und zugleich aufgezwungenes Menschenleben, welches hier mit vielen liebevollen Details ausgeschmückt wird. Ich persönlich hätte zwar den Untertitel "Ausbruch" besser gefunden, aus folgenden Gründen: Ausbruch aus dem bisherigen Leben, Ausbruch aus der sicheren Verwahrung, Ausbruch im Angesicht des Todes, Ausbruch von Gewalt, Ausbruch im Sinne von Piratenflüchen. Wobei die eher selten vorkommen. Die Piraten sind verflucht, aber jetzt greife ich vor, ihr Landratten.
Zu Beginn sind erst einmal präzise See- und Landkarten zu finden. Es gilt nichts über eine gute Vorbereitung. Doch während ich gedanklich schon meinen ersten Fuß auf den Gangway setze, fängt das Buch in den hochherrschaftlichen Gemächern eines gelangweilten Königs an. Ich erfahre, der König mischte sich gern unters Volk. Einst traf er dabei einen Bettler, der ihm seine Haut rettete. Die beiden kommen ins Gespräch und der Bettler ist eine richtige Plaudertasche und erzählt lang und breit vom berüchtigten Galdin-Grau, einen mittlerweile hingerichteten Freibeuter, der hier allerorts sehr verehrt wird. Warum?
In der Erzählung des Bettlers lernen wir Casim kennen. Dieser ist vom Unglück verfolgt. Er ist Bevollmächtigter einer Reise, doch was nützt es? Am Ende zählt doch nur seine Schlagfertigkeit mit Kampfstab und die Worte seiner Freunde. Doch da ist noch etwas anderes im Spiel, ist es Seemannsgarn? Magie? Aberglaube? Jedenfalls gibt es im Buch keinen Charakter, der nicht irgendeine Vorgeschichte hat. Obwohl jeder ein eigenes Leben führt, kann trotzdem nicht jeder das Leben führen, was er sich erhofft hatte. Verlässlich ist nur die Wankelmütigkeit und die Uneinigkeit unter den Piraten.
Gefallen hat mir, dass die Bände von Florian Clever in einem Zeitstrahl zu sehen sind. "Piratengesindel" spielt dagegen ca. 80 Jahre vor dem Anfang von "Schwert & Meister" (die Haupthandlung) bzw. ca. 40 Jahre vor der Rahmenhandlung mit dem König und dem Bettler. Lhantorische Krieger, Mesree etc. finden wir hier wieder.
Casim's Reisegefährten sind schwer einzuschätzen. Ein jeder ist mit allen Wassern gewaschen und sie sind zuweilen etwas mehr als das, für das sie angeheuert wurden - sehr zum Missfallen des Kapitäns, der sich ausgebootet sieht. Im Grunde läuft es nur solange glatt, wenn jemand geschmiert wird.
Mein Lieblingsheld ist Nael. Toll, wie der Autor eine vermeintliche Nebenfigur so ausbaut, dass sie einen Oskar für den besten Nebendarsteller verdienen würde.
Die Abenteuerreise, die gesellschaftlichen Hintergründe und die Personen sind sehr ausführlich und stimmungsvoll beschrieben. Nicht immer passiert etwas Weltbewegendes, doch es sind die kleinen Dinge, die den Roman abrunden und diese unterschwellige prickelnde Spannung verleihen. Es gibt sehr viele Untiefen und Unsicherheiten, die zwar nach und nach offensichtlich werden, aber erst in den Folgebänden wohl eher bewältigt werden. Trotz des offenen Endes hat das Buch einen sauberen Abschluss. Wir erleben hier die Vorgeschichte eines Piraten aus gutem Hause, ein Pirat wider Willen, ein Pirat, der es versteht, der Rechtsprechung zu entkommen, ein Pirat der bekannt ist, wie -- wie Störtebeker, jawohl. Außen hart wie ein Buchcover, innen weich mit zahlreichen Seiten. Diese Geschichte ist wahrlich für einen König wert und wird Wellen schlagen.
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