Montag, 22. März 2021

Der Himmel über den Menschen von Thomas Imre

Ein zweites himmlisches Leben auf Knopfdruck gefällig?

Prof. Steven Thaillor hat schon seit Kind einen besonderen Bezug zum Sternenhimmel. Oft sitz er einfach da und beobachtet den nächtlichen Himmel. Was mögen die Sterne alles sehen, wenn ihr Licht tief in die Galaxie leuchtet. In der Schulzeit belächelt und vermöbelt, ist er nun ein gern gesehener Wissenschaftler und Herausgeber von wertgeschätzten Publikationen, sowie an der Universität von Washington mit Fachgebiet "Astronomie" beschäftigt. Zudem widmet er sein Leben als Mitentwickler von Spiel- und Lebenssimulationen. Eine Sternschnuppe hat er sogar zu verdanken, dass er eine Frau finden konnte, die ebenfalls nachtaktiv war und der er nicht schnuppe ist. So entstand eine typische Familie mit gesundem Nachwuchs. Und toll, dass seine Frau eine Anstellung bei der NASA gelang. Damit kann sie und er mit modernster Teleskoptechnik tief in Weltall blicken. Die Suche nach dem Ungewöhnlichen kann beginnen. Aber ist das die einzige Motivation?

Der Himmel kann viel über den Sinn des Lebens verraten. Viele Menschen glauben an etwas Höheres. Eventuell leben wir in einer Matrix, meinte Prof. Thaillor. Klar, für jemanden, der nur Simulationen kennt, sieht alles wie eine Simulation aus.

Vieles ist denkbar und beweisbar, vieles ist vorstellbar, aber unbelegt, und vieles ist möglich, was wir nicht für möglich halten.

Der Leser muss sich durch viel Sachlichkeit und Familiengespräche wälzen, bevor sich eine Art Spannung auftut. Ein Objekt aus dem Weltall bewegt sich auf die Erde zu. Wobei was für ein Objekt ist das denn? Eine wissenschaftliche Sensation! Doch bei genaueren Hinsehen sind Zweifel angebracht. Vielleicht ist es doch nicht so gut, was da kommt. Es sendet Signale aus und es ist eher eine Ansammlung von Objekten. Es ist ein Objektschwarm, der insgesamt an Geschwindigkeit verliert, um genau bei der Erde zu parken. Vieles deutet auf eine außerirdische Intelligenz hin.

Prof. Thaillor flüchtet sich in seine Software. Die Software modelliert eine Erlebniswelt auf Basis der Vorstellungen und Wünsche der Nutzer. Das Leben dort erinnert ihn daran, dass seine wahrgenommene Welt womöglich nicht real ist und er nur eine Projektion ist.

Die Software lernt Interessen kennen und misst Gehirnströme um den Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Es lässt sich ein zweites Leben leben. Doch dieses virtuelle Leben verändert das reale Leben. Das zweite Leben wird zur Sucht. Es würde ein Wort reichen, um aus der Simulation auszusteigen. Es genüge einfach "Stopp" rufen.

Das zweite Leben hat seinen Preis. Unangenehme Träume in der Nacht des richtigen Lebens sind die Folge. Was liegt also näher, als die verbrachte Zeit in der Simulation zu verlängern. Ein Kindheitstraum geht in Erfüllung, nun zu den Sternen reisen zu können - körperlos. Es eröffnet unbegrenzte Möglichkeiten. Alles spielt sich im Kopf des Spielers ab. Der Spieler ist Teil der Handlung, aber die KI hat es entworfen.

Er erfährt in dieser Situation, den wahrscheinlichen Grund für das Objekt, das sich der Erde nähert.

Ich rufe "Stopp", aber es ist kein Ausstieg möglich.

Wir erfahren zum Ende mehr über den Titel des Buches. Der Begriff "Himmel" ist gemeint als Simulation. Unser Leben mag eine Simulation sein. Das Buch ist eine Simulation, die eine Simulation beschreibt und wird von uns gelesen, von Lesern, die ebenfalls in einer ganz individuell abgestimmten Simulation leben. Jeder Mensch, der in dem Himmel blickt, sieht von seinem Standort unterschiedliche Dinge und doch leben wir alle unter dem gleichen Himmel.

Nicht umsonst ruft Obelix oft: "Beim Teutates, der Himmel fällt uns auf dem Kopf.".

Die Menschheit in dem Buch muss sich auf Grundwerte zurückbesinnen, sich quasi neu erden. Ich denke, für dies bedarf es mehr als eine Rede eines Wissenschaftler über mehr Nächstenliebe und Nachhaltigkeit. Interessant finde ich die Herleitung, wo die Menschheit an einem Strang ziehen könnte. Egal ob wir Glaubenskrieger oder Wissenschaftler sind, etwas Außerirdisches bzw. Überirdisches mag bestehen. Und egal, wie wir uns auf der Erde entscheiden. Jemand programmiert die Simulation in der wir leben.

Ich drücke STRG-ALT-ENTFERNEN. Auch das nützt nichts, um die Simulation anzuhalten.

Das Buch wirft zum Ende implizit Fragen auf: Leben wir ein Leben, was wir im Innersten nicht wollen? Oder wollen wir es, weil wir uns zu gerne ablenken lassen, uns mit wichtigeren Dingen zu beschäftigen. Werden wir manipuliert und sind Marionetten in einem perfiden Spiel? Gibt es etwas Überirdisches, was uns resettet, wenn wir im Universum unangenehm auffallen?

Für meinen Geschmack hätte das Buch etwas gekürzt werden können, damit die Handlung bzw. die Weltanschauung etwas mehr Gewicht bekäme. Das Potential bezüglich Plot ist jedenfalls da, alle 5 Sterne zu erreichen.

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