Montag, 11. Januar 2021

"Widerstand, Bewaffneter" von Boris Steidle

Wer macht sich nicht gerade Gedanken über die zunehmende Technisierung unseres Alltags? Zunehmend entstehen mehr und mehr künstliche Intelligenzen, die im Auto, in der Küche, in der Wissenschaft -quasi überall, unsere Daten sammeln, auswerten und ihre Schlüsse daraus ziehen. Oft können wir schmunzeln, was dabei herauskommt, wie zum Beispiel wenn ein Einkaufsportal uns Produkte zum Kauf vorschlägt, die wir am Vortag bei diesem Unternehmen bereits gekauft haben. Uns vergeht hingegen das Lachen, wenn wir von einem Roboter den Arbeitsplatz weggenommen bekommen. Es kommt also immer darauf an, wie KI eingesetzt wird.

Der Autor Boris Steidle macht das Thema Künstliche Intelligenz (KI) oder auch bekannt unter Artificial Intelligence (AI) zum Kernbestandteil des Buches. Es gibt alle Kombinationen:
  • Menschen, die mit KI kollaborieren, 
  • Menschen, die der KI Widerstand leisten, 
  • Cyborgs, eine Mischung aus Mensch und Maschine und
  • KI, die Widerstand gegen KI leistet. 
So sieht Diversität in der natürlichen Entwicklung der Menschheit aus.

Was für mich in dem Buch zu häufig zum Einsatz kam, das waren Panzerschokolade und Alkohol. Beides kann eher als Körpergift gesehen werden. Das Ertragen der Strapazen der Soldaten erklärt es für mich nicht. Wer mit Ausrüstung Berge erklimmt, Wüsten durchquert, wenig bis schlecht schläft, kann sicher keinen Treffer mehr landen. Zumindest nicht bei mir. Also ich bin ja für Schokolade mit Kaffeestückchen. Damit würde ich jeder KI gehörig auf die Nerven gehen.

KI muss vor allem erst einmal intelligent werden, damit sie den Namen verdient. Intelligent stammt lat. von "erkennen“, „einsehen“, „verstehen“. Selbst Menschen tun sich schwer, stets alles drei zu erfüllen. Die technische Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Wichtig ist, dass sich der Mensch nicht ausruht und sondern Schritt hält. Auch der Mensch sollte seine Intelligenz nutzen.

Eine spannende Frage, die sich durch das Buch durchzieht, ist, können wir trotz Sympathie für den Widerstand und dem Zugehörigkeitsgefühl zur menschlichen Spezis der KI etwas Positives bescheinigen? Können wir uns vorstellen mit einer KI symbiotisch zusammenzuleben. Wir wären also die Schmarotzer auf der Welt und die KI, die uns zu nutzen versteht in Grenzen hält, damit die Menschheit nicht auswuchert.

Die hochentwickelte KI in den Buch kann emphatisch agieren und in letzter Instanz brutal ihren Willen durchsetzen. Im aktuellen Tagesgeschehen können wir 2021 in Deutschland bereits Ähnliches nachvollziehen. Jeder Mensch in Deutschland ist frei (solange er sich an die Regeln und Gesetze hält). Doch außergewöhnliche Situation erfordern außergewöhnliche staatliche Maßnahmen. Manche Bewohner von Regionen dürfen sich nur im Aktionsrahmen von 15km bewegen. Ist das legitim? Juristen argumentieren, dass es sich lediglich um den Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und nicht um Freiheitsentzug handele. Mit diesem Hintergrund und dieser Parallele, ist die Buchgeschichte gar nicht realitätsfremd. Butterweicher Datenschutz, Überwachung, steigende Anzahl Polizeieinsätze im Inneren, Auflösung von Demonstration sind bereits Wegbereiter für den Aufbau einer Intelligenz höherer Ordnung. Die KI in dem Buch ist hingegen noch schlauer. Sie weiß durchaus den Widerstand zu schätzen.

Das Buch lässt für uns Leser die Frage offen, wie wir uns in einem solchen System, wo uns die KI Grenzen aufzeigt, verhalten würden. Ist es nicht eine logische Konsequenz, dass die Menschheit mit ihrer eigenen Intelligenz überhaupt nicht überlebensfähig ist? Ist KI unser Rettungsanker oder sollten wir dagegen ankämpfen?

Das Buch erweckt den Anschein, dass es sehr schnell geschrieben und veröffentlicht wurde. Es gibt Rechtschreibfehler, wie ich es noch nie in der Anzahl gesehen habe. Doch das hat bei mir nicht zu einer schlechten Bewertung geführt.

Trotz dem ernsten Thema, wo die Soldaten sterben, wie in dem Lied"10 kleine Kinderlein, Die fuhren übern Rhein; Das eine ist in's Wasser gefall'n, Da waren's nur noch neun." , mag ich den Humor, der vom ICH Erzähler ausgeht. Zahlreiche Helden bleiben vor dem Tod nicht verschont. So bleibt es für den Leser spannend, wer am Ende überlebt. Was meint ihr, werden wir überleben?

Zur Handlung: Das Buch wirft jede Menge Fragen auf:
  • Warum bekommt die KI nichts mit von dem Rückzug, Neugründung, den Attentaten des Widerstands? Ist vielleicht ein Verräter in der Truppe?
  • Wie kann sich die der Widerstand auf Dauer versorgen?
  • Gibt es andere versprengte Einheiten?
Der Autor vermag es selbst kleine Details wie das Aufbrechen einer Gitters so spannend und episch zu beschreiben, dass ich das Gefühl habe, dabei zu sein. Mehrere Buchseiten füllt diese Aufgabe und ich kann die Verzweiflung und die schwindende Kraft und damit die zunehmende Erschöpfung deutlich nachvollziehen.

Ein anderer Geschichtenerzähler in dem Buch ist Lee. Dieser führt langatmig die Geschichte von Liu und Paul aus. Für mich waren dies Seiten, die mich weniger begeistert haben. Trotzdem fand ich die Idee des Autors gut, eine weitere Geschichte in den Pausenzeiten der Truppe einzuflechten, die dann in Bruchstücken erzählt wird.

Weiterhin hat der Autor Kapitel zur Entwicklung der KI eingebaut. Diese sind auch ohne technisches Vorwissen verständlich. Sie veranschaulichen, wie schleichend die technische Errungenschaft unser Leben in den Griff bekommt und bestimmt. "Digital Native" ist dabei nur ein Anfang.

Dem Gedankengang und den aufgeworfenen Fragen kann ich mich nicht entziehen. Ich komme zu dem Schluss Widerstand gegen KI ist zwecklos, aber zugleich ist der Widerstand nicht zwecklos. Ich vergleiche es einmal mit dem Immunsystem einer Lebensform. Wir brauchen Krankheiten, damit wir nicht sterben. Lasst Euch vom Autor impfen und gebt dem Buch eine Chance.

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