Der Leser erhält in dem Buch "Die Grauzonen" von Olivier Mantel gleich zwei unterhaltsame, wie tiefgründige Geschichten, die in unterschiedlichen Zeiten spielen und auf den ersten Blick wenig miteinander zu haben. Warum sind sie in einem Buch und was an den Geschichten ist die Grauzone?
Ich war neugierig, dies für Euch in Erfahrung zu bringen und habe mich in die beiden Geschichten gestürzt. Die erste Geschichte macht in etwa zwei Drittel des Buches aus. Sie enthält sehr viele Details wie geschichtliche Hintergründe. Für mich waren die historischen Gegebenheiten sehr spannend, denn von der Schweiz kenne ich nicht viel. Die Schweiz stellt sich mir in Deutschland immer so neutral dar, dass sie überhaupt nicht auffällt, wenn da nicht die Berge wären. Oft frage ich mich, ob die Schweiz überhaupt eine Historie hat, oder immer schon der Banken-, Agenten- und Milchkuhtreffpunkt Nummer Eins in Europa war und ist.
Bekanntlich heißt es "Der Berg ruft". So ist es nicht verwunderlich, wenn selbst der russische Zar und die Geheimdienste die Schweiz lieben für den Austausch von was auch immer. Hier kann alles mit ein wenig bis viel Geld geregelt werden. Manche Geschäfte sind aus schweizerischer Sicht klar in der Grauzone. Bei mir stellen sich die Nackenhaare auf.
Die erste Geschichte dümpelt so vor sich hin bis ich merke, dass sich die Lage für unsere Hauptfigur Annette langsam zuspitzt. Es ist schon beachtlich, wie schnell wir in den Sog von Kriminellen geraten und kaum mehr einen Ausweg erkennen. Es entsteht Hilflosigkeit, weil die Situation entgleitet. Übrigens ist dies auch ein verbindendes Element zur zweiten völlig anders gearteten Geschichte. Im ersten Teil gibt es Feldversuche mit dem Gehirn, wo noch sehr stümperhaft eine Krankheit versucht wird zu heilen, wobei Sadismus, Mystik, Forscherdrang und Neugier sehr nah beieinander liegen. Im zweiten Teil versucht man in Feldversuchen mit einer überlegenen Gehirnmanipulationstechnik das Kaufverhalten von Konsumenten zu steuern und auszunutzen. Dabei bedenken die Nordwestschweizer Erfinder nicht, dass diese Technik ähnlich wie das Schweizer Taschenmesser auch anders eingesetzt werden könnte. Alles zum Wohle der Volks und möglicherweise auch zu guten Rezensionen.
Obwohl beide Geschichten fiktiv erscheinen mögen, so sehe ich doch plakativ den erhobenen Zeigefinger des Autoren: Grauzonen haben die Tendenz, ganz schnell in den Abgrund zu führen - ohne die Möglichkeit zur Gegenwehr. Daher sollten wir unsere Wahrnehmung schulen. Toleranz, Geduld sind ein hoch geschätztes Gut in unserer Gesellschaft, aber dennoch sollten diese Eigenschaften uns den Blick nicht verstellen, wann es Zeit ist, Fehlentwicklungen zu dulden. Wir sollten mit eigenen Kräften zumindest zurück in die Grauzone rudern. Wenn wir den Zeitpunkt für eine Trendumkehr verpassen, dann heißt es nur noch flüchten oder Medien anschalten, abstimmen ... abstimmen und Buch kaufen.
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