Wenn eine Wanderung ansteht, dann wird es zeitlich richtig eng auch noch über das Training zu schreiben. Nach der 14 km Wanderung bin ich noch 20 Kilometer auf dem Hometrainer gefahren. Sportlich gesehen war es nicht sehr fordernd für mich, aber müde war ich trotzdem. Die frische Luft und ständig in Bewegung zu sein, ist anstrengend. Daher kam der Beitrag auch einen Tag später.
Ich habe einen weiteren Film von einem Ultraläufer auf dem Hometrainer gesehen. Es ist schon erstaunlich, was der Läufer so leistet. Noch beeindruckender fand ich, dass teilweise erstaunliche Höhenmeter, sehr unebene Wege, Flüsse und Hindernisse auf der Strecke zu bewältigen waren. Ich kann mir richtig vorstellen, wie schmerzhaft es ist nach der Marathondistanz noch die Beine hoch heben zu müssen, kann jeder Marathonläufer nachvollziehen.
Es ist nicht so, dass Ultraläufer damit keine Probleme hätten.
Was Ultraläufer gegenüber Marathonläufer kennzeichnet ist, dass sie Schmerz aushalten. Sie wissen von vorne herein, dass Schmerz urplötzlich kommt und auch wieder vergeht. Sie laufen mit verkrampften Beinen weiter, nehmen Sehnenentzündungen in Kauf, versuchen alle Warnsignale zu ignorieren. Ein Marathonläufer bricht komplett den Lauf ab oder geht einen Teil der Strecke beim ersten Anflug eines Krampfes.
Ein weiterer Aspekt, der mir skurril erschien, dass sehr viele ältere Leute sich diese Torturen antun und gegenüber den jüngeren Teilnehmern sehr gut abschneiden. Manche kommen sogar vor den jüngeren Altersklassen ins Ziel. Das liegt vermutlich daran, dass die meisten Läufer ab 60 vermutlich nicht mehr arbeiten müssen und jede Menge Zeit haben, die lange Distanz zu trainieren.
Was sollte man auch sonst machen? Kastanienmännchen basteln? Kaffeetrinken? Karaoke? Klug daherreden? Nein, viele wollen es auf die alten Tage noch einmal wissen.
Was mich auch verwundert hat, dass die älteren Läufer körperlich nicht rank und schlank sind und durchaus eine Wampe vor sich her schieben. Es sind offenbar auch gute Futterer. Für Ultraläufer gibt es an Verflegungspunkten viel mehr Auswahl im Vergleich zu den Marathonläufern. Die sind schon mit einem klebrigen Gel zufriedenzustellen. Die Ultra-Veranstaltungen sind kleiner und familärer, was weniger der Quantität, sondern der Qualität hilft.
Total überrascht hat mich, dass einigen Läufern die eigene Platzierung nicht egal sind. Sie versuchen, auch jenseits der 60km noch Läufer vor ihnen einzuholen. Dadurch, dass die Teilnehmeranzahl durchaus geringer ist als an einem Citymarathon, betrachtet man einzelne Teilnehmer als Konkurrenz. Es besteht der Ansporn, den Läufer mit dem man am Vorabend noch Pizza gegessen hat, oder den Weltrekord-Schnarcher aus dem Nachbar-Hotelzimmer, oder den Geschichtenerzähler von der letzten Weltumrundung mit letzter Kraft zu überholen.
Das sind die Erfolge entlang der Strecke, die den Ultraläufer aus dem augenblicklichen Tief wieder zurück in zu einem Hochgefühl bringen.
Gibt es am Ende Gewinner? Training hin oder her, es gibt sicherlich keinen der Teilnehmer, der nicht über seine Grenzen hinaus läuft. Die Schäden am Körper müssen gewaltig sein.
Meine Kollegen sind schon blass erstaunt, wenn ich ihnen erzähle, dass ich im Training durchschnittlich 15 km laufe. Sie wären auch nicht mehr erstaunt darüber, wenn es 30km wäre. Also, Anerkennung kann es nicht sein, was einem Ultraläufer antreibt.
Ein Ultraläufer verbringt sehr viel Zeit mit und für sich selbst. Er trainiert nicht nur Muskeln, sondern seine Geduld, Verzicht und Selbstkontrolle. Er erntet Abenteuer. Während Gleichaltrige, die Höhen und Tiefen der Falten ihrer Couch und der eigenen Haut erkunden, durchleben Ultraläufer Höhen und Tiefen ihrer Stimmung und Höhen und Tiefen der wunderschönen Laufstrecke. Wenn jemand 60km und mehr läuft, kommt er automatisch herum und hat am Ende etwas zu erzählen.
Das kann ich bereits bei kürzeren Distanzen auch, denn ich habe eine gute Wahrnehmung und während des Laufens fallen mir so viele Themen ein, die ich als berichtenswert empfinde, dass die Zeit manchmal gar nicht ausreicht.
Mehr Zeit hätte ich als Rentner, doch die Gesundheit muss mitspielen und sie spielt mit, wenn Körpersignale beachtet werden. Das macht mich klassisch zu einem Marathonläufer, der seine Wehwehchen pflegt. Für die Disziplin Ultra müsste ich diesbezüglich senil und vergesslich werden, um ambitioniert bei Ultrarennen mitzumischen.
Mein Gefühl für Ultraläufer schwankt daher zwischen Mitleid und Bewunderung. Ein Sechs-Stunden lauf zusammengefasst in einem 40 Minuten Youtube Video ist jedoch immer ein Vergnügen auf dem Hometrainer.
Siehe auch:
youtube.com - RAG Hartfüsslertrail 2017 - 58 Km
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