Nie, schrie es aus dem Lautsprecher beim Berlin Marathon 2016. "Wenn Ihr schnell läuft, kann es Euch im Schlussspurt die Beine weghauen durch Unterversorgung Eurer Beime", meinte ein unbekannter Arzt.
Auf dem letzten Kilometer des Marathons ging mir noch kurz der Spruch den Kopf, wischte ihn aber wie einen lästigen Schweißtropfen weg. Ach was, ich bin hier, um Leistung zu zeigen und wenn noch etwas auf den letzten Metern geht, dann sollen es alle sehen.
Ich setzte zu einem langen Spurt an. Die Menschenmassen hielten sich eher in der Mitte der Straße auf. Ich nahm die Strecke am Rand und beschleunigte unaufhörlich. 98 % der Läufer trabte auf Ziel, während ich wie ein deutscher ICE Zug geradewegs auf das Brandenburger Tor zusteuerte.
Ich freute mich, dass meine Beine, mein Kreislauf, diese ungeheure Anstrengung nach 42 Kilometern gestatteten. Ich spürte nichts, keine schweren Beine, keine ächzenden Sehnen und Muskeln, die mich ab Kilometer 30 begleitet hatten.
Als ich durch das Tor lief, fiel von mir alles ab. Ich hatte es geschafft und in einer gar nicht so schlechten Zeit bei den schlechten Startvoraussetzungen in der letzten Startwelle. Es war um mich herum auf einmal viel ruhiger als auf der Strecke zuvor, denn alle Läufer schlichen auf die medaillenausgebenen Leute zu. Irgendwie bedauerte ich kurz, dass ich mir nicht mehr Zeit gelassen habe, um wie die 98% anderen Läufer den Augenblick des Anlaufs auf Zielkorridor möglichst lange zu genießen. Meine Sportuhr machte mir jedoch deutlich, dass ich noch entscheidene Sekunden für eine gute Zeit herausgelaufen hatte. Hätte ich getrödelt, wäre ich im Nachgang vermutlich etwas enttäuscht, denn ich wollte unter der Marke von 3h30 kommen.
3h28, solange bin ich noch nie gelaufen und ich hatte das Gefühl, es hätte auch länger sein können.
Als ich meine Finishertüte und das verdiente Bier in den Händen hielt und mich setzen wollte, merkte ich, nein, es wäre keine gute Idee weiterzulaufen. Es reicht. Mach das nie mehr wieder. Sei froh, wenn Deine Beine Dich noch einmal weg von hier gehen lassen. Ich redete meinen Beinen gut zu, dass ich nur noch einmal zurück zum Bier wolle. Missmutig ließen meine Beine es zu.
Immer noch kamen neue Läufer, die gerade erst eingetrudelt waren. Aber es entstand trotz all der Menschenmassen kein Gedränge. Jeder Läufer hatte sich ausgetobt. Ich hatte noch nie eine so relaxte und friedvolle Menschenmenge auf einen Haufen gesehen.
Es fanden noch nicht einmal großartige Gespräche statt, jeder sah nur zu, dass er seinen Energievorrat für den letzten Weg nach Haus wieder auffüllte. Als ich die meisten Sachen aufgefuttert habe, machte ich mich auf den Weg zu meiner Frau und verließ den Läuferfriedhof mit einem Bier für sie. Ich nahm nicht den kürzesten Weg, wie es sich später herausstellte, aber schnell musste es jetzt nicht mehr gehen. Keine Zeitnahme mehr, einfach nur weiter ... wer stehen bleibt hat schon verloren.
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