Freitag, 1. Januar 2021

Herbstlande / "Die Reisen des jungen Haselhorn" von Markus Heitkamp

Jo, Erwachsene sind gemein und kaufen den Kindern die Märchen weg. Daher gibt es jetzt seit neuestem Märchen speziell für Erwachsene. "Die Reisen des jungen Haselhorn" ist ein solches Märchen, welches zumindest den IQ eines Schattentausendeineinhalbfüßlers voraussetzt. Wie kennt Ihr nicht? Zum Glück gibt es im Buch ein ausführliches Glossar, wo alle fremdartigen Kreaturen und Gegebenheiten in Herbstlande erklärt sind. Somit sind für das Buch keine Vorkenntnisse aus zu den bereits existierenden Herbstlande Novellen notwendig.

Das Buch lebt von Absurditäten. Der Autor schafft es, aus einer Reihe von überraschenden Szenen einen in sich logischen Erzählstrang und eine stringente Handlung aufzubauen. Er scheint viel von seinen Lesern zu halten, denn er mutet ihnen allerlei Zwischenspiele zu, die zeit- und dimensionsübergreifend sind. Das Buch hat nur 115 Seiten, aber gewiss muss die eine oder andere Seite zweimal zum besseren Verständnis gelesen werden. Es sei denn, Ihr habt drei Augen wie ein Zylinderbackenbartfisch.

Aber jetzt mal Budder bei die Fische. Die Kernbotschaft des Märchens ist, dass es Individuen gibt, die anders sind und durch einen Tick oder Handicap möglicherweise unangenehm auffallen. Dennoch haben diese Personen oft erstaunliche Fähigkeiten ausgeprägt. Jeder liebt Eichhörnchen, aber ist es noch liebenswert, wenn es uns derbe beschimpft, so aus dem Blauen heraus, ganz unvermittelt und zusammenhangslos. Sind wir so tolerant, wie die Amme, die Leichtmatrosen und andere Parallelpantoffelsteller? Ich kannte diese Krankheit bereits aus dem Film "Ein Tick anders" und lebe sie selbst bei einer Autofahrt gerne aus.

Manchmal frage ich mich, was schlimmer ist, anders zu sein oder einfach in der grauen Masse der Gleichen unterzugehen. Eigentlich ist es in unserer Zeit wichtig, nicht alles gleich zu machen, sondern durchaus gegen den Strom oder im Bauch eines gutmütigen Schlappwals zu schwimmen. Außergewöhnliche Menschen haben es aus meiner Sicht einfacher im Leben und werden reich wie üblicherweise ein Haselhorn, wenn sie durch irgendeine Macke auffallen.

Ich war skeptisch als der Autor im Vorwort erwähnte, dass er humorvoll schriebe, denn ich hatte vor nicht allzu langer Zeit ein anderes Buch gelesen von einer Autorin, wo das ähnlich behauptet wurde. Der Humor war so, wie wenn man trotzdem lacht. Im Haselhorn Buch hingegen trifft es eher meinen Geschmack. Es ist eine abgedrehte abstruse Geschichte deren Szenen und Formulierungen intelligenten Humor verkörpern.

Ich weiß eigentlich nicht, wohin das Ganze führt, aber ich habe ein gutes Gefühl. Möglicherweise führt die abenteuerliche Reise des Haselhorns und dem Dreizeh-Po, dem automatischen Begleitsystem, ins Nichts. Doch nichts ist wertvoller als alles andere. Also bekommen wir als Leser nichts. Wir müssen uns schon selbst Gedanken machen, was wir aus dem Märchen lernen.

Vielleicht helfen Euch auch die Aufzeichnungen des Reisenden, aber am besten ist, Ihr Käseloch-Priester reist einfach selbst mit der Vergissmeinnicht - dem Schiff der Reisenden.

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