Sonntag, 14. November 2021

Als wir verschwanden von Johanna Wolfmann

Was einem so alles durch den Kopf geht, wenn man plötzlich allein ist, nur keine Erkenntnisse. Allein gestrandet, aber mit einem Boot. Könnte schlimmer sein. Das nächste Sonnenbad will wohl überlegt sein.

Was ich an dem Buch mag, waren die Details, wie den Segeljargon, die Waffenkunde, die zitierten Bücher, etc..

Auflockernd und teilweise amüsant fand ich auch die Nebeneinwürfe und Gedanken von Anna.

Immer wieder Erinnerungen... wir erfahren etwas über andere... Andere, die sie jetzt gern um sich hätte, da ist nur die Stimme aus ihrer Vorstellung. Wobei ich an diesem Punkt nicht glaubte, dass sie lange allein blieb. Frauen bleiben nie lange allein.

Die Handlung fühlte sich wie ein Traum an. Verschiedene Szenen, Gedankengewirr, Stimmen aus dem Nirgendwo. Anna meint Parallelwelt. Habe gerade Hohlbeins "Schiff des Todes" gelesen. Aber so unheimlich wird es nicht.

Der Anfang erinnert mich an Blackout, der totale Stromausfall. Rien ne va plus.

Anna appelliert in verschiedenen Szenen gerne an den Umweltschutz, doch reden und selbst danach handeln, liegt ihr gern.

So badet sie mit Shampoo im Meer.

Solange die eigenen Werte nicht für uns selbst gelten, wird die Wirtschaft, Gesellschaft und Regierungsformen nicht umdenken. Nichts ist alternativlos.

Das Problem sind nicht die Anderen, die Gesellschaft, die Menschen, problematisch ist man oft selbst. Reden, man müsste, man sollte, man könnte ist gut und schön wie feine Haare, doch die eigenen gesalzenen Werte gelten eben nur für die Mitmenschen, denn selbst konsequent danach handeln tun wenige.

Es wird sich viel unterhalten und philosophiert über die Zukunft in dem Glauben. Diese Gesprāche lassen die äußere Bedrohungslage verblassen.

Witzig finde ich, dass die Überlebenden allerlei Vermutungen über die Ursache der Auslöschung vieler Mitmenschen anstellen, und darunter erscheinen, die verglichenen Phänomene aus anderen Romanen mitunter am plausibelsten. Für die, die hat nichts glauben, hat man dann Außerirdische. Das passt immer. Die, die sowieso schon glauben, schieben alles auf Gott.

Mit jeder Theorie ließen sich aufregende Romane schreiben.

Aber ist es überhaupt wichtig zu wissen, warum es passierte, wäre es nicht wichtiger ein Weg zu finden, dass das Bier wieder gekühlt ist?

Das Buch wird sicherlich nicht jeden Leser ansprechen. Es ist quasi eine Selektion. Nur bestimmte Leser werden bis zum Ende durchhalten und das statische Kribbeln spüren. Gibt es überhaupt ein Ende? Oder ist es ein Neuanfang inklusive Mittelleitplanke?

Anna hält ihr "Don't be afraid" Blatt hoch und ich ein Blatt mit 5 Sternen für einen ungewöhnlichen Roman voller guter Ideen und Ansichten, aber auch unnötiger Länge.

Ist der Buchinhalt wirklich neu und völlig überraschend? Nein, wohl aber aus einem anderen Blickwinkel erzählt. Ich höre parallel auch ein SF-Buch "Eden", wo das kleine Team ebenfalls nach Antworten sucht und mit allerlei komischen Phänomenen und Kreaturen konfrontiert ist. Das ist bei Anna und Co ähnlich, wenn auch philosophischer. Irgendwann kann selbst der schöne Strand sie nicht halten. Es treibt sie menschliche Neugier an. Ohne die Neugier, was bei "Als wir verschwanden" dahinter steckt, wird Euch das Buch nicht weiter bewegen. "Denkt konstruktiv, zielgerichtet, in die Zukunft - nicht zurück", meint Anna mit Nachdruck.

Der letzte Teil des Buchs beschreibt die neue Art. Konstruktiv, heißt gehorsam, zielgerichtet ist angepasst sein.

"Wie viel Mühe kostet die Niederschlagung und Verhütung von Aufständen: Geheimpolizei, andere Polizei, Spitzel, Gefängnisse, Verbannungen, Militär! Und wie leicht sind die Ursachen für Aufstände zu beseitigen."

Leo Tolstoi (1828 - 1910)

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