Freitag, 20. August 2021

Wahre Schönheit: Die Reise zum Schwarzen Turm von Christian Huyeng

Der Herr der Schönheit

Was ist wahre Schönheit? Eine Frage, die vermutlich jeder Mensch anders beantwortet. Das Buch von Christian Huyeng erzählt die Reise zum Schwarzen Turm. Wieder so eine Frage, was ist der Schwarze Turm und was hat er mit der wahren Schönheit gemein? In meinem Kopf entsteht das Bild von Rapunzel hoch oben auf dem Turm. Nun ja, das Buch ist in der Tat aufgemacht wie ein Märchen. Zu Kapitelbeginn ist jeweils ein hübsches verspielt gerahmtes Bild mit einer Szene aus der Handlung, welches, obwohl gemalt, magisch realistisch wirkt. Einfach schön, selbst in Schwarz-Weiß. Auch im ersten Teil dreht sich alles um Schönheit, was man dazu beitragen und wie man es vermarkten kann. Ich brauchte eine Weile, um mir eine völlig unqualifizierte Meinung zu der professionellen, zertifizierten und diplomierten Heldensaga zu bilden. Anfangs dachte ich "naja", es folgte "hmpf", und dann schien sich der Autor warm geschrieben zu haben und es wurde "oja".

Das Buch ist brutal gevierteilt wie es im Mittelalter üblich war. So seltsam wie der Titel des ersten Teils kam mir das Gehabe der Frauen gar nicht vor. So ein Müsli esse ich jeden Morgen und manchmal auch nachmittags. Mit den Frauen käme ich gut zurecht. Gesund ernähren macht Spaß. Ob's schön macht? Ich denke, dass ist eher in Kombination mit Sport - oder einem magischen Spruch. Das dachte sich zumindest der Großmeister der schwarzen Magie in dem noch schwärzeren Turm in seiner geistiger Umnachtung und abgrundtiefer Hässlichkeit - oder war es Gehässigkeit. Wie dem auch sei, er kann sich schön zaubern, allerdings auf Kosten von anderen, aber auf ehrliche Weise. Sie bekommen Gold für ihre Schönheit. Also macht er sich auf die Reise.
Ich fand es amüsant erzählt, wie die Schönheit ihren Besitzer wechselt und die Charaktere so umfassend in Szene gesetzt wurden, dass ich sie zeichnen könnte, vor allem die plötzlich hässlichen.

Die Stimmung unter den Männern aufgrund ihres Aussehens ist größtenteils entspannt. Doch die Frauen können sich nicht damit anfreunden. Ein wahrer Held muss es richten, so dass jeder die wahre Schönheit zurück erhält auf Kosten des Magiers. Wird dies gelingen? Vor allem in dieser Truppenzusammensetzung?

Die Komik ist stets unterschwellig vorhanden, ohne Poesie und unerwartet für ein Genre Märchen bzw. einer Fantasiewelt. So ganz ernst nimmt es der Autor nicht bei seinen Ausführungen und legt recht unterhaltsamen flapsige Worte den Protagonisten in den teilweise zahnlosen und unangenehm riechenden Mund.

Es gibt ein paar Erzählstränge, die mal zusammenlaufen und sich dann wieder trennen wie Rapunzels schüttere Haare. Und alle Stränge verbindet das Streben nach Schönheit. Der Plot verläuft für mich anfangs vorhersagbar mit der Bedrohungsklasse I-IV des aktiven Rettungsdienstes.

Dem Leser erwartet in Teil 2 eine abenteuerliche Reise. Das beschreibt diesen Teil bereits hervorragend, denn es gibt allerhand Abenteuer zu bestehen. Und die Moral? Wenn sie nicht gestorben sind, dann können auch Berufshelden schwächeln und Laien heldenhaft sein. Ich erkenne, wie die die Sympathiewerte im Verlauf der ersten beiden Teile wechseln. Gefährliche Kreaturen können Freunde sein. Mit Mooskleidung lässt sich viel Moos verdienen. Besser Nixe im Teich als nix los. Für jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen, fragen Sie ihre Nixe oder ihren Friseur.

Der dritte Teil beschreibt die Ankunft und den Aufenthalt im Land der Zauberer ohne Reiserücktrittsversicherung. Man hat schließlich einen Held dabei. Wobei eine Reise ohne Held vielleicht leichter verlaufen wäre. Zu dessen Ehrenrettung muss ich sagen, dass das Leben eines Helden verdammt verflucht sein kann. Vielleicht muss ich "Held" anders definieren. Ein wahrer Held ist nicht durch die Größe seiner Kampfkunst bestimmt, sondern die Größe seines Herzens. Mein persönlicher Favorit in dem Buch ist das Geflecht. Es sitzt unterhalb des Waldes, nein, es ist der Wald. Als Waldläufer weiß ich, dass der Boden unter meinen Füßen ganz entscheidend dafür ist, was auf ihm alles läuft.

Nett sind die Anspielungen auf "Herr der Ringe" in Lorian bei Frau Gadariel. Oder vor dem Tor zum Turm: "Sag 'Freund' und tritt ein!". Was ich an diesem umfangreichen Buch mag, dass soviel passiert und allerlei Fantasiegestalten auftauchen, worauf einzelne Gruppenmitglieder anhand ihrer Fähigkeiten bewusst oder unbewusst unkonventionelle Deeskalationsstrategien anwenden. Meistens geschieht dies durch Wertschätzung von Andersartigkeit, Respekt, mitunter Freundschaft, die gemeinsame Freude an raffiniertem Essen und guter Handwerkskunst.

Der vierte Teil handelt vom Kampf mit der Schönheit. Hier lerne ich ein wenig Allgemeinwissen, insbesondere die korrekte Deaktivierung von Zauberstäben und Flüchen, sowie der Unterschied zwischen aufgeblasener Magie von Zauberern und bodenständigen Hexensprüchen, nicht zuletzt wahre Schönheit und das Rückgaberecht. Auch hier wieder eine Anspielung und diesmal auf König Arthus Saga mit Procalibur. Und es gibt einen Tarnumhang wie bei Harry Potter oder leuchtende Zauberschwerter wie bei Herr der Ringe, wobei die Bedienungsanleitung zu fehlen scheint. Jedenfalls findet in diesem Buch jeder, sein persönliches Gadget

Ob der neue Reichtum von Linderhof nicht neues Unheil herauf beschwört? Wobei es verteilt sich schneller, als ich lesen kann. Ich wünsche mir eine Fortsetzung vom Autor mit dem Titel "Wahrer Reichtum".

Es ist eine lehrreiche, strahlend schön unterhaltsame vor Fantasie berstende Geschichte, die ich auf mein 6-Sterne-Regal schiebe, gleich neben dem Krug mit Tatzelwurmspeichel, Algentaschentüchern und Greatest Hits vom Nixenchor. Ich werde den Autor Christian Huyeng im Heldenrat empfehlen.

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