Donnerstag, 14. Januar 2021

Bildvagabunden: Feuerpalast von S.C. Keidner

Wie oft laufe ich an Bildern vorbei, die seit Jahren an der Wand hängen ohne sie zu beachten. Erst wenn sie weg sind, spüre ich die entstandene Leere. Nach dem Lesen von "Bildvagabunden - Der Feuerpalast" sehe ich Bilder nun mit anderen Augen. Ich bleibe stehen, betrachte den Rahmen nach irgendwelchen Auffälligkeiten, versetze mich in die dargestellte Szene. Ich bilde mir ein, dass ich weiß, wo das Motiv sein mag. Es entstehen Geschichten in meinem Kopf. Zuweilen übertragen sich sogar die Bilder auf die Rezension.

Die "Bildvagabunden - Der Feuerpalast" ist bereits der vierte Band (übrigens ohne Bilder, was ich schade finde). Ich war mir nicht sicher, ob mir der Quereinstieg in einer Reise von Bild zu Bild und wieder zurück gelänge. Schließlich brachte ich keine Bildreiseerfahrung mit und die ersten Pinselstriche der ersten Kapitel fielen mir nicht leicht. Die Namen der Künstler waren mir nicht vertraut. Doch nach und nach erschloss sich mir das Konzept. Der Stil ist einfach. Nun kann ich mir ausmalen, wie eine Bildreise verläuft und kann mir dank der bildhaften Szenen vorstellen, wie die Welten hinter den Bildern erschlossen und entdeckt werden können.

Ich verließ meine Realität und war auf Abkhinda angekommen. Das ist bekanntlich die große Insel des einzigen Kontinents Erob. In Abkhinda gibt es die Gilde der Bildvagabunden mit jede Menge Bücher über die Geschichte und die Reisemöglichkeiten von Bild zu Bild. Technikfreaks werden einwerfen, ob alles in HD ist und ob Bild-in-Bild unterstützt wird. Nein, Abkinda ist eher in einer Zeit des Mittelalters. Ja und auch dort lässt es sich leben, wenn erst einmal so Despoten wie Tanios durch einen neuen Tanios ersetzt wird. Das ist nämlich exakt unsere Aufgabe. Einfach jemand beseitigen, den wir gar nicht genug kennen und durch jemand neuen ersetzen, der vorgibt, es besser zu machen. Politik findet auch hinter Leinwänden statt. Ahh und Kampf, blutiger Kampf um Leben und Tod.

Schade, dass die Bildvagabunden, die sich zwar teilweise sehr pazifistisch geben, nach viel Diskussion doch expressionistische Gewaltdarstellungen bevorzugen. Ich hätte mir gewünscht, dass sie ihre außergewöhnlichen magischen Fähigkeiten nutzten, um Zusammenhänge ins rechte Bild zu setzen und Bilder sprechen zu lassen anstelle von Waffen.

Das Buch hat im Grunde drei Erzählstränge, einmal aus der Sicht der Bildvagabunden und einmal aus der Sicht der Rebellen. Leser, die zählen können, werden einwerfen, wo denn der dritte Erzählstrang ist. Nun die Bildvagabunden haben sich aufgeteilt. Manchmal trennen sich Wege und führen auch wieder zusammen. Aber nur manchmal.

Ab der zweiten Hälfte des Buches verläuft der Plot für mich sehr vorhersehbar ohne besonders raffinierte Winkelzüge und neue Perspektiven.

Dennoch kommt durch die Autorin jede Menge Farbe bei den Charakteren ins Spiel. Besonders gefallen hat mir Zweigesicht. Er kann viel mehr wahrnehmen, da er zwei Körper hat, wenn er will.

Der Prolog knüpft an vergangene Bildreisen an und ist eher was für die alten Dürerhasen, die die Geschichten und Charaktere noch in der Erinnerung haben. Genossen hatte ich hier die Atmosphäre. Es hatte so etwas wie das Wildschweinessen bei Asterix und Obelix. Ausgelassene Stimmung und die Erkenntnis, dass sich auch in einer kleinen Stadt weit vor unserer Zeit leben lässt. Na klar, früher war alles besser, wirft Opa ein. Nicht immer müssen wir reisen, wenn wir ein zu Hause und eine nette Familie haben. Aber wir könnten reisen und das ist die Hauptsache.

Die Geschichte ist im Vergleich zu anderen Fantasie-Romanen nur leicht aus dem Rahmen gefallen. Es gibt ja bereits Spiegelreisende, Bücherreisende (Das Buch der gelöschten Wörter), Teleporter, ... warum also nicht auch Reisen durch Bilder. Das ist doch naheliegend. Somit schließt die Buchreihe ein Lücke und zeigt wie es geht - ganz gefahrlos können wir gedanklich mitreisen, um fremde Welten zu entdecken, unbekannte Lebensformen und neue Zivilisationen. Bildreisende dringen dabei in Welten vor, die nie ein Mensch, Drache oder Zentaur zuvor gesehen hat.

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